Samstag, 26. Oktober 2013

Ausgeträumt

HSV, Hertha, VfB: Um die Jahrtausendwende galt Giuseppe Ricciardi (29) als eine der größten Hoffnungen des deutschen Fußballs. Dann wurde er bedroht, verletzte sich und kehrte aus der Karibik mit einer ominösen Krankheit zurück. Die tragisch-verrückte Geschichte eines Mannes, der erst durch den Fußball lernte, wo er eigentlich hingehört.

Von Ibrahim Naber

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Reutlingen. Lange Zeit ging es für Giuseppe Ricciardi einfach nur steil nach oben. In Amerika hätte man wohl gesagt: „The sky is the limit“ - nach oben sind diesem Jungen keine Grenzen gesetzt. Vom SV 03 Tübingen wechselte Ricciardi in der E-Jugend zum VfB Stuttgart, der ihn bei Talenttagen entdeckt hatte. Er gehörte beim VfB zu den Besten seines Jahrgangs, wurde schließlich zum Kapitän der wfv-Auswahl ernannt. Früh meldete sich der DFB bei ihm. Klaus Sammer, der Vater von Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer, wollte Ricciardi für die deutsche U-16 Auswahl nominieren. Doch zu einem Länderspiel kam der Talheimer letztendlich nie. Denn: Ricciardi besaß lediglich die italienische Staatsbürgerschaft: „Und meine Mutter sagte, ich solle erst mit 18 entscheiden, welchen Pass ich haben möchte“, erklärt der zentrale Mittelfeldspieler.

Psychischer Terror in Hamburg

Nationalspieler hin oder her: Für viele stand fest, dass Ricciardi einmal ein ganz Großer wird. Sie sollten zunächst recht behalten. Mit 16 zog der Italiener in eines der ersten deutschen Fußball-Internate überhaupt ein. In Hamburg, beim ehemals großen HSV. Auch im Norden setzte sich die Erfolgsgeschichte zunächst wundersam fort. Ricciardi wurde gleich in der B-Jugend Kapitän, erzielte in einer Saison 16 Tore für den HSV. Sogar bei den Amateuren durfte er mehrmals reinschnuppern.
Doch es gab etwas, das Ricciardi Angst machte. Zwei Schüler der Gesamtschule, auf die er ging, bedrohten ihn: „Sie wollten Geld von mir und mein Handy wegnehmen. Es hörte nicht auf. Das war psychischer Terror, ich habe viel geweint damals. Die Zeit damals hat einiges verändert.“ Das Ganze ging soweit, dass Mitarbeiter des HSV Ricciardi irgendwann sogar als Schutz zur Schule begleiteten. War ein Schulwechsel nicht möglich? „Das stand gar nicht zur Debatte für mich. Ich hatte Angst und wollte nur noch weg.“

Wechsel nach Berlin

Obwohl der HSV ihm einen lukrativen Fünf-Jahresvertrag anbot, wechselte Ricciardi schließlich auf Wunsch des damaligen Jugendkoordinators Falko Götz zu Hertha BSC Berlin. Doch auch in der Hauptstadt fühlte er sich nach mehr als einem Jahr unwohl. Er hatte Heimweh. Deshalb folgte schon in der A-Jugend die Rückkehr zum VfB. In der Heimat blühte Ricciardi wieder richtig auf. Er war Stammspieler neben Leuten wie Mario Gomez oder Christian Gentner, als der VfB 2003 die A-Jugend Meisterschaft gewann. Er erhielt einen Profivertrag in Stuttgart und sollte sich in der zweiten Mannschaft für die Bundesliga empfehlen. Doch schwere Verletzungen wie ein Innenbandriss im Knie warfen ihn immer wieder zurück. Beim Oberligisten FC Nöttingen wollte er sich 2005 wieder herankämpfen.

Die ominöse Krankheit

Doch dann erneut ein Rückschlag: Aus einem Karibikurlaub kehrt Ricciardi mit einer mysteriösen Krankheit zurück. Seine Augen sind gelb, er fühlt sich extrem schwach. In der Uniklinik Tübingen diagnostizieren sie eine schwere Lebensmittelvergiftung. Er fällt erneut für fünf Monate aus.

Verletzungen und Schicksalsschläge ziehen sich wie ein roter Faden durch Ricciardis Karriere. Als er auch aus finanziellen Gründen schließlich 2009 nach Zypern wechselt, hat er einen Bandscheibenvorfall. Als er 2011 nach Deutschland zurückkehrt und sich Oberligist Türkiyempsor Berlin anschließt, geht der Klub nach wenigen Spieltagen insolvent. Giuseppe Ricciardi wollte den Fußball prägen, doch der Fußball prägte am Ende ihn: „Ich habe viel über das Leben gelernt durch den Fußball. Als Talent wurde ich überall umjubelt, alle wollten etwas von mir. Später dann lernte ich: Wenn es drauf ankommt, bist du ein Einzelgänger.“

Elf Profistationen, Berater bei Gaudino


Nur wenige Menschen hätten auch in den schweren Zeiten zu ihm gehalten, sagt Ricciardi. Seine Familie und seine Frau gehören dazu. Und ein gewisser Maurizio Gaudino. Der ehemalige Bundesligaspieler beriet Ricciardi auf all seinen Stationen. Mittlerweile arbeitet Ricciardi neben dem Fußball auch als Spielerberater in der Agentur von Gaudino.

Nach insgesamt elf Profistationen und all den Rückschlägen ist Ricciardi nun beim Oberligisten SSV Reutlingen angekommen. Er ist verletzungsfrei und einer der Leistungsträger im Team. Trainer Murat Isisk sagt über seinen Kapitän: „Ich bin begeistert von ihm! „Giuse“ ist eine Vorbildsfunktion für die jungen Spieler.“ Ricciardi wohnt mit seiner Frau in Echterdingen und ist froh, endlich wieder zurück zu sein. Wenn es nach ihm geht, beendet er mit „35 oder 36“ seine Karriere beim SSV. Ricciardi, der in Heilbronn eine Fußballschule gründen will, hat eine klare Vision: „In den nächsten zwei, drei Jahren will ich mit dem SSV in die Regionalliga aufsteigen! Der Verein war kaputt und ist jetzt wieder da. Die Fans, das Stadion…es ist so viel möglich mit diesem Klub! Wir wollen uns wieder einen Namen machen und die Leute zu uns ins Stadion locken.“ Es scheint, als sei Giuseppe Ricciardi endlich angekommen, wo er hingehört: In der Heimat.

Samstag, 19. Oktober 2013

Ich BILD mir meine Meinung!

Mein erster Chef sagte vor Jahren zu mir: Ibra, verkaufe deine Seele nie an Axel-Springer!


Nachdem ich im März vier Wochen in Mainz beim ZDF hospitiert habe, absolviere ich derzeit ein Praktikum bei BILD/Nürnberg.
Natürlich ist das eine Umstellung für mich. Ich schreibe nach mehr als fünf Jahren im Journalismus erstmals boulevardesk! Überraschenderweise habe ich mich jedoch ziemlich schnell an den Stil anpassen können. Ich bin abwechselnd für die Sportredaktion und die Lokalredaktion im Einsatz und bin sehr dankbar, dass ich schon in den ersten beiden Wochen einige Artikel eigenständig recherchieren und schreiben durfte.

Es gibt ja viele Klischees über die BILD-Zeitung und deren Arbeitsweise. Ich kann schon jetzt sagen, dass vieles davon einfach grundlegend falsch ist.In meiner aktuellen BILD-Redaktion arbeiten sehr intelligente Menschen, die so aufwendig und exakt recherchieren, wie ich es selten zuvor erlebt habe. Natürlich muss man als BILD-Redakteur ein ganz bestimmtes Auftreten haben. Natürlich musst man als BILD-Redakteur auch bereit sein, Dinge überspitzt darzustellen. Fakt ist aber: Es ist kein Zufall, dass die BILD sehr oft Informationen vor anderen Konkurrenten erhält. Die BILD hat sich ein einzigartiges Informationsnetzwerk aufgebaut und betreibt personell einen extrem hohen Aufwand für eine einzelne Geschichte.

Und noch eine Sache halte ich für wichtig: Es ist eine Kunst so zu schreiben und so viele Informationen in einem kurzen Artikel unterzubringen, wie es die BILD tut.
Was man dann persönlich am Ende von der Art und Weise der Darstellung hält, steht auf einem ganz anderen Papier.

Hier der Link zu einem Artikel, der letzte Woche von mir in der BILD veröffentlicht wurde. Es geht um den 2.Liga-Profi Stephan Fürstner (26), der mit eigenem Geld eine Stiftung gegründet hat. Ausgangspunkt von allem: Mehrere Reisen mit dem FC Bayern München nach Indien, bei denen Fürstner das extrem Elend in den indischen Slums vor Ort erlebte.

http://www.bild.de/sport/fussball/greuther-fuerth/alles-begann-im-indischen-slum-33003562.bild.html

Samstag, 28. September 2013

Wir brauchen Klopp und Streich, Freunde der Sonne!

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Wir haben um sie getrauert. Wir haben sie vermisst. Wir haben uns neue herbei gewünscht: Echte Typen im deutschen Fußball! Typen, wie Oliver Kahn, die ihren Gegenspieler auch mal mit einem Kung-Fu-Tritt beiseite räumten und in Interviews forderten: „Eier, wir brauchen Eier!“. Typen, wie Stefan Effenberg, die Spiele mit Ihrer Präsenz auf dem Rasen herumreißen konnten und mit legendären Brandreden auf negative Berichterstattung reagierten. Oder auch einfach schräge Typen wie Kugelblitz Ailton, der gefühlt jedes Jahr ein neues Wort Deutsch lernte (Danke für die tollen Interviews, Toni!) und eigenhändig seinen Sommerurlaub verlängerte.

Kurz gesagt: Wir wollen Menschen sehen, die anders sind. Menschen, die durch verrückte Aktionen und klare Worte polarisieren. Wo sind sie alle nur hin? Die Bundesliga von heute ist eine Ansammlung von glattgebügelten und disziplinierten Medienprofis, die allein mit den Kurzinterviews nach Spielende das Doppelpass-Phrasenschwein zum Überlaufen bringen würden. Kuriose Ausraster auf dem Feld? Brandreden in der Öffentlichkeit? Passé.

Die einzig wahren Typen dieser Liga treffen sich heute am Spielfeldrand der Partie zwischen Dortmund und Freiburg: Jürgen Klopp und Christian Streich. Zwei Trainer, die Ihr Team über 90 Minuten mit Händen und Füßen mitreißen und anstacheln wollen. Klopp und Streich sind wie zwei Vulkane, die immer wieder ausbrechen, wenn sie das Geschehen auf dem Rasen zum Kochen bringt. Die beiden zeigen offen Emotionen und leben den Fußball auf Ihre herrlich-impulsive eigene Art.

Damit nicht genug. Die Interviews der Beiden gehören regelmäßig zum Unterhaltsamsten, was diese Liga zu bieten hat. Doch wie wir alle wissen auch Klopp und Streich: Manchmal übertreiben sie es. Szenen, wie die Wut-Attacke von Klopp im Champions League-Spiel gegen Neapel müssen nicht sein. Der BVB-Coach hat sich bereits mehrfach für die Szene entschuldigt. Eigentlich ein Grund, die Aktion endlich abzuhaken. Doch egal in welche Sportzeitung man blickt: Überall ist Klopp das Dauerthema. Psychologen geben öffentlich ihre Gutachten über Klopp ab. Ex-Schiedsrichter Merk fordert bei sport1.de einen zusätzlichen Aufpasser bei Spielen für Klopp. Das ist alles zutiefst absurd und lächerlich.

Wenn wir wirklich Typen in der Bundesliga sehen wollen, dann müssen wir auch ein bisschen Toleranz zeigen. Wenn wir nur noch Interviews mit dem Informations- und Unterhaltungswert von nordkoreanischem Staatsfernsehen in der Liga sehen wollen, dann sollten wir weiterhin auf Streich und Klopp herumhacken. Meine Meinung: Wir brauchen Typen wie Streich und Klopp, Freunde der Sonne!

Dienstag, 17. September 2013

Kindergarten Weltfußball: Mesut, Gareth, Cristiano und der kleine Lionel

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Mesut kuschelt mit anderen Mädchen. Cristiano ist eifersüchtig auf Gareth. Real-Präsident Perez ruft die Super Nanny an. Und der kleine Lionel will auch mitspielen. Wilkommen im Kinderparadies Weltfußball!

Ibrahim Naber


Real Madrid verkauft den Mesut für 50 Millionen Spielgeld nach London. Begründung von Real-Präsident Perez: "Der Mesut hat in der Nacht immer mit fremden Frauen gekuschelt!".
Als Ersatz für den türkischen Frauenversteher Mesut, hat sich Real jetzt den walisischen Außerirdischen Gareth gekauft. Der ist noch immer mit seiner Jugendliebe zusammen und kuschelt angeblich gar nicht mit anderen Frauen. Deshalb ist Gareth auch so teuer. 100 Millionen Spielgeld zahlt Real für ihn!

Das findet der Cristiano, portugiesicher Schauspieler und Stuntman, richtig doof. Er ist stinkewütend! Denn Cristiano selber hat vor ein paar Jahren bei seinem Wechsel zu Real nur 94 Millionen Spielgeld gekostet. Deshalb sagt der Perez jetzt allen, dass der Gareth doch nur 92 Millionen gekostet hat. Cristiano glaubt dem Perez das nicht. Er schmollt immer noch. Aus dem Grund hat der Perez am Samstag verzweifelt die Super-Nanny angerufen. Die hat dem Perez geraten, den Cristiano und den Gareth für ein paar Stunden zusammen in die Wuthöhle zu stecken. Den Vorschlag fand' der Perez aber wiederum blöd. Er setzt auf Zuckerbrot statt Peitsche: Damit der Cristiano wieder schnell glücklich wird, hat der Perez ihm jetzt sein Gehalt auf 17 Millionen Spielgeld pro Jahr erhöht. 17 Millionen Spielgeld, das sind mehr als 60 rote Spielzeugautos. Da lacht der Cristiano wieder.

Ganz im Gegensatz zu dem kleinen Lionel aus Barcelona. Der findet nämlich (zu Recht), dass er besser Fußball spielen kann als der Cristiano. Und deswegen will er auch mehr Spielgeld bekommen als der Cristiano. Damit auch der Lionel wieder ganz schnell mit einem Grinsen im Gesicht einschlafen kann, wollen sie in Barcelona jetzt auch das Gehalt ihres kleinen Wirbelwindes aufstocken: Auf 18 Millionen Spielgeld. Man munkelt, Cristiano ist stinkewütend.

Mittwoch, 28. August 2013

Bunte Spritzen in Barcelona

Systematisches Doping in der BRD? (Ex-) Sportler über die neuen Enthüllungen

Die Studie der Berliner Humboldt-Universität über die Dimensionen des Doping-Systems in Westdeutschland hat die Glaubwürdigkeit des deutschen Spitzensports der letzten Jahrzehnte massiv beschädigt. Was wussten Ex-Spitzensportler aus Baden-Württemberg über das Dopingprogramm? Und: Wie gehen aktuelle Sportler und Funktionäre mit den Enthüllungen um?

Ibrahim Naber

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Tübingen. Die Spritze gab es für den Tübinger Helmut Roth jede Woche einmal nach dem Training. Mal war sie grün, mal rot, ein andermal gelb. Der Mannschaftsarzt persönlich verabreichte sie jedem Spieler des spanischen Fußball-Zweitligisten UE Sant Andreu bei Barcelona, wo Roth 1974 für eine Saison kickte. Der Mittelfeldspieler erinnert sich: „Keiner von uns wusste, was in den Spritzen drin war. Mir wurde auf Nachfrage nur gesagt: ‚Vitamine! Vitamine!’“. Das nahm Roth damals einfach so hin. Er machte sich keine größeren Gedanken über die ominösen Vitamin-Cocktails in Barcelona. Heute, gut 40 Jahre und etliche Doping-Enthüllungen später, ist das anders: „Jetzt im Nachhinein nach all den Enthüllungen im Sport gehe ich fast davon aus, dass in den Spritzen mehr als nur Vitamine drin waren. Es ist gut möglich, dass bei uns im Team gedopt wurde.“

„In Deutschland nichts mitbekommen“


Doping und Fußball? Über Jahrzehnte zwei Begriffe, die niemand wagte, in einem Satz zu vereinen. Heute muss man davon ausgehen, dass Doping auch im Fußball eine Rolle spielte und noch immer spielt. Zu den Kunden von Sportmediziner Eufemiano Fuentes, der auch Jan Ullrich mit Dopingmitteln versorgte, gehörten offenbar auch etliche Spieler von Real Madrid und des FC Barcelona. Und laut der aktuellen Studie der Humboldt-Universität sollen Spieler der deutschen Nationalmannschaft bei insgesamt drei Weltmeisterschafts-Endspielen unter Dopingverdacht gestanden haben. Helmuth Roth, der in der Bundesliga etwa für 1860 München (1968-1970) spielte, beteuert jedoch: „In Deutschland hab’ ich was Doping angeht nichts mitbekommen. Nur bei Verletzungen wird viel gespritzt, gerade Cortison, um schneller fit zu werden. Das ist ja legitim. Aber systematisches Doping im Fußball? Daran glaube ich nicht!“

„In den 60-er Jahren hat keiner was genommen“

Vom Rasen auf die Tartanbahn: Lange Zeit glaubte auch der ehemalige Mehrkämpfer Gerold Jericho nicht, dass in seiner Sportart systematisch gedopt wird. „Ich war schon immer sehr naiv. Mittlerweile denke ich, dass fast alle Spitzenathleten - gerade Sprinter – gedopt sind“, sagt Jericho, der für die TSG Tübingen 1963 deutscher Vizemeister im Fünfkampf geworden war. Hat Doping bereits in den 60-er Jahren die Leichtathletik dominiert? Nein, sagt Jericho mit Nachdruck. „In den 60-er Jahren bis Anfang der 70-er Jahre hat bei uns Läufern keiner irgendetwas genommen!“
Laut der Studie der Humboldt-Universität hat systematisches Doping in der BRD im Oktober 1970 mit dem Aufbau des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) seinen Anfang genommen. Das BISp soll leistungsfördernde Mittel erforscht und dann zur Einnahme an Sportler weitergegeben haben. Es passt ins Bild, dass Jericho ausgerechnet bei den Deutschen Meisterschaften 1972 unnatürliche Veränderungen bei Sportlern wahrnahm: „Ich habe bei den Meisterschaften 1972 in der Nähe der Kugelstoßer gewohnt. Die konnten kaum mehr laufen vor Muskeln! Das war verrückt. Ab den 70-er Jahren wussten wir zumindest, dass fast alle Werfer dopen.“

Ist der Sport heute sauberer?

Hürdensprinter Gregor Traber (LAV Tübingen) hat den Verdacht, dass Doping in manchen Staaten, gerade in Osteuropa, auch noch heute systematisch betrieben wird. Der 20-Jährige sieht bei Wettkämpfen manchmal Leichtathletinnen, die wie Männer aussehen. Darüber hinaus gibt es immer wieder Leistungssprünge einzelner Athleten, die Traber stutzig machen: „Ich weiß, wie hart es ist, sich um wenige Hundertstel zu verbessern. Wenn dann eine Frau sich über Nacht von 6,50 Meter auf 7 Meter verbessert, bin ich immer skeptisch. Aber: Alle unter Generalverdacht zu stellen, finde ich einfach schade!“

Für den Studenten waren die neuesten Doping Enthüllungen in erster Linie ein großer Schock. Gleichzeitig bewertet Traber es positiv, dass die Vergangenheit detailliert aufgearbeitet wird. Ihm selbst sei noch nie von einem Arzt oder Trainer Doping angeboten worden, sagt der Student, der Deutschland im Anti-Doping-Kampf in einer Vorreiterrolle sieht. Traber selbst muss täglich bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) angeben, wo er sich zu welcher Uhrzeit befindet, um den Kontrolleuren unangemeldeten Dopingtests zu ermöglichen. Andere Länder wie das Heimatland von Sprint-Superstar Jusain Bolt pflegen einen deutlich laxeren Umgang mit Dopingkontrollen. Traber befürwortet das deutsche System, obwohl er weite Teile seines Privatlebens dafür preisgeben muss. Jedoch schränkt die deutsche Nachwuchshoffnung ein: „Ich bin bereit das alles zu tun, wenn es wirklich dem Zweck dient, d.h. Betrüger aus dem Verkehr zu ziehen!“

Doping als gesamt-gesellschaftliches Problem


Alle Interviewpartner sprachen sich für ein deutlich strengeres Sanktionssystem für Dopingsünder aus. Walter Jericho und Traber plädieren dafür, dass ertappte Sportler für mindestens vier Jahre gesperrt werden. Derzeit sind es nur zwei Jahre Sperre: „Das ist viel zu wenig! Eine Sperre muss dem Sportler richtig weh tun – auch finanziell“, sagt Jericho. Traber hält auch die allgemeine Einführung eines Blutpasses für sinnvoll. Für Klaus Tappeser, Präsident des Württembergischen Landessportbund (WLSB), muss das Sanktionssystem auch eine abschreckende Wirkung auf Trainer und Ärzte haben. Er sieht Doping als gesamt-gesellschaftliches Problem: „Ich würde mir ein Klima in der Gesellschaft wünschen, in dem es nicht um jedes Hundertstel geht, nicht um einen Weltrekord nach dem nächsten.“
Gregor Traber weiß, dass eine solche Gesellschaft wohl immer Wunschdenken bleiben wird. Für den deutschen Meister steht fest: „Solange es um Geld und Prestige im Sport geht, besteht immer der Anreiz für manche, unter allen Umständen zu dopen.“

Montag, 29. Juli 2013

Die Mär von den 11 Freunden

Wie Geld den deutschen Amateurfußball dominiert


Im Schatten der Profiligen fließen im deutschen Amateurfußball unglaubliche Geldbeträge. Auch in Baden-Württemberg. Schon in der Landesliga verdienen einige Spieler mehrere hundert Euro im Monat. In welcher Liga fließt wie viel Geld? Wie erfolgen die Zahlungen? Und: Ist es richtig, dass manche deutsche Amateurfußballer mehr Geld verdienen als Profisportler anderer Sportarten?

Ibrahim Naber

Tübingen.
Es war wie in einem Traum, als Holger Schneider* zu Beginn des neuen Jahrtausends zum ersten Vertragsgespräch seines Lebens erschien. Der damalige Zweitligaverein SSV Reutlingen wollte den 19-Jährigen Abiturienten für sein zweites Team verpflichten. Für die Verbandsliga, die damals fünfte Liga Deutschlands. Große finanzielle Erwartungen hatte Schneider deshalb nicht, als ihm Manager Wilfried Gröbner den Vertrag überreichte. Doch als er auf das Papier vor sich sah, fing sein Herz wie wild an zu rasen: „Ich war einfach baff. Total geplättet von den Zahlen auf dem Papier. Ich habe den Stift genommen und sofort unterschrieben.“ Ohne zu verhandeln.
Konkret hielt der Vertrag fest: 600 DM Festgeld pro Monat im ersten, 800 Mark im zweiten Jahr. Hinzu kamen Prämien zwischen 75 bis 100 Mark pro Punkt. Auch fünf paar Sportschuhe pro Jahr im Gesamtwert von rund 700 Mark wurden Schneider zugesichert. Monatlich kam der Schüler durchschnittlich auf rund 1200 Mark. Einmal, erinnert sich Schneider, erhielt er eine Abrechnung über 2500 Mark - für sechs Wochen Verbandsligafußball.

Mit Geld ist ganz unten alles möglich

Mit Geld im Amateurfußball verhält es sich ähnlich wie mit Doping im Spitzensport: Über das gesamte Thema hüllen alle Beteiligten am liebsten den Mantel des Schweigens. Dennoch standen insgesamt mehr als zehn Spieler, Trainer und Manager von Kreis- bis Oberliga sowie zwei Spielerberater dem TAGBLATT für diesen Artikel Rede und Antwort. In vertraulichen Gesprächen lässt sich heraushören: Schon ab der Kreisliga ist Geld der dominierende Faktor im Fußball. Sprich: Steht einem Verein genug Kapital zur Verfügung, ist gerade in den ganz unteren Ligen fast alles möglich:

Die TSG Young Boys Reutlingen sind offenbar so ein Klub der unbegrenzten Möglichkeiten. 2006 gegründet, stieg das Team nach vier Meistertiteln in Rekordzeit von der C-Liga bis in die Landesliga auf. Präsident, Gründer und Mäzen Thorsten Bauer stellt seinen Anspruch klar: „Wir wollen bei den Aktiven und in der Jugend die Nummer eins in der Region werden.“
Dafür investiert der Versicherungsmakler seit Jahren kräftig in den Verein. Eine „sechsstellige Summe“ habe er bereits in die Young Boys gesteckt, sagt Bauer auf Nachfrage. Einige Akteure bekommen ein kleines Auto samt monatlichem Zuschuss für Benzin gestellt. Darüber hinaus reist das gesamte Team auf Kosten des Vereins ins Trainingslager nach Barcelona.

Um kurzfristig erfolgreich zu sein, lockte der Klub in der Vergangenheit immer wieder Spieler aus deutlich höheren Ligen nach Reutlingen. Mario Tunjic (28) etwa, einen Stürmer im besten Alter, der zuvor in der Oberliga Tor um Tor schoss. Warum wechselt solch ein Spieler in die Bezirksliga?
Bauer stellte Tunjic und einige weitere Spieler in seinem Unternehmen ein. Der Präsident beteuert: „Wir locken keine Spieler mit Geld! Niemand verdient bei uns mehr als 200 Euro im Monat. Spieler wie Tunjic stelle ich ein, weil sie intelligent sind. Aber natürlich spielt der Fußball da auch eine Rolle.“

Wo ist die Grenze zwischen Beruf und Fußball?

Es kommt häufig vor, dass die Grenzen zwischen Beruf und Amateurfußball wie im Fall von Tunjic verschwimmen. Problematisch, denn: Es bleibt letztlich unklar, wie viel Geld ein Spieler für den Fußball und wie viel er für seine Arbeit bekommt.
Spielerberater Hans-Joachim Sterr kennt etliche solcher Fälle. Mit seiner Agentur CTS-Management betreut er Amateurfußballer in Baden-Württemberg. Erst kürzlich vermittelte Sterr einen jungen, arbeitslosen Kicker an den Bezirksligisten FV Bad Urach: „Erst durch den Wechsel hat er eine Arbeitsstelle bekommen“, berichtet Sterr.
Als Spielerberater ist er bei Vertragsverhandlungen fast immer dabei. Er kennt die Summen, die gezahlt werden.

Ab der Bezirksliga ist Geld üblich


Die Unterschiede bei der Höhe der Gehaltszahlungen in den einzelnen Ligen sind enorm. Sowohl zwischen den Teams, als auch innerhalb der Teams. Nach Aussagen von Spielern und Trainern ist es ab der Bezirksliga (Liga acht) üblich, dass die Mehrheit der Spieler von ihren Vereinen Geld erhält. Ausnahmen wie Bezirksligist TV Derendingen, der überhaupt kein Geld zahlt, bestätigen die Regel. Welche Leistungen honoriert werden, variiert: Viele Vereine zahlen Punkt- oder Einsatzprämien, oft gibt es kleine Beträge für Trainingsteilnahmen und Fahrten und spätestens ab der Verbandsliga gibt es fast nur noch Vertragsspieler mit monatlichen Festgeldern.

Als Vertragsspieler gilt laut DFB, wer „Vergütungen oder andere geldwerte Vorteile von mindestens 250 Euro monatlich“ erhält. Ab dieser Summe sind die Spieler auch offiziell sozialversicherungspflichtig. Die Betonung liegt auf offiziell: „Was daneben abläuft, ist etwas ganz anderes. Viele Vereine haben private Gönner, die für spezielle Spieler Extragelder zahlen“, erklärt Sterr.
In Ausnahmefällen bekommen auf diesem Wege schon einzelne Spieler aus der Kreisliga A oder B am Monatsende einen Umschlag mit Geld zugesteckt. Und (Spieler-)Trainer erhalten bereits in den Kreisligen oft Beträge zwischen 500 bis 900 Euro monatlich. Auch dank Übungsleiter-Zuschüssen des Württembergischen Landessportverbandes (WLSB). Ab der Landesliga würden dann meist schon vierstellige Gehaltssummen an Trainer gezahlt, berichteten aktuelle Coaches.

500 Euro sind schon in der Landesliga möglich


Wie mehrere Quellen bestätigten, kann Fußball für Spieler schon ab der Landesliga sehr lukrativ werden. Besonders, wenn ein Mäzen einen Verein unterstützt. Bei ambitionierten Landesligisten wie dem FC Gärtringen oder der TuS Metzingen können Topspieler auf über 500 Euro im Monat kommen. Im Durchschnitt dürften mittlerweile ehemalige Spitzenzahler wie der SV Nehren oder die Spvgg Mössingen liegen, die rund 150-250 Euro zahlen. Die TSG Tübingen ist da schon ein Exot: Der Klub soll bis auf winzige Prämien keine Gehälter zahlen.
Der finanzielle Unterschied zwischen der Landes- und der Verbandsliga ist enorm. Sterr schätzt, dass ein Verbandsligaspieler inklusive Prämien zwischen 400 bis 700 Euro pro Monat verdient. Bei ambitionierten Vereinen in der Oberliga wie z.B. Waldhof Mannheim sollen Spieler auf Beträge weit über 1000 Euro monatlich kommen. Von diesen Summen ist man beim SSV Reutlingen mittlerweile übrigens weit entfernt.

Geldgeile Generation?


Es gibt sie: Amateurfußballer, die nur noch mit dicken Dollarzeichen in den Augen den Platz betreten. Glaubt man den Erzählungen vieler Manager und Trainer, gibt es sie im Jahr 2013 mehr denn je. Ein aktueller Landesliga-Trainer, der nicht namentlich genannt werden will, berichtet von dreisten Gehaltsforderungen bei Vertragsverhandlungen: „Da sitzt dir dann ein 19-Jähriger gegenüber und sagt: ‚Für unter 200 im Monat zieh’ ich meine Kickschuhe nicht an’. Die Spieler werden verdorben, der Markt ist kaputt!“

Zählen Werte wie Ehrlichkeit und Loyalität im Fußball überhaupt noch etwas? Fest steht, dass zumindest die Vereinstreue stark abgenommen hat. 20 000 Spieler wechselten alleine im Württembergischen Fußballverband (WFV) im Jahr 2012 bei den Aktiven den Verein. Vorbei die Zeiten, in denen Spieler ein leben lang für ihren Heimatverein spielten. Heute wechseln Kicker zum Teil mit 25 Jahren das fünfte Mal das Trikot. Die Bindung zwischen Verein und Spieler ist lockerer geworden: „Zahlt der Nachbarverein heute 50 Euro mehr, wechseln viele Spieler sofort. Ich war früher einfach nur geil zu kicken. Nach Geld habe ich nie gefragt“, sagt Murat Isik, Trainer des SSV Reutlingen.
Im Gegensatz dazu erwarten viele Spieler heute, dass sie für ihren Aufwand von drei bis vier Mal Training pro Woche zumindest eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen: „Auf der einen Seite muss man sehen, dass der Aufwand ab der Bezirksliga schon extrem ist. Ich investiere mit Training und Spiel rund 60 Stunden pro Monat in Fußball. Dafür das bisschen Geld? Da wäre jeder Nebenjob lukrativer. Auf der anderen Seite geht es natürlich um unser Hobby! Das sollten wir nicht vergessen“, sagt Stürmer Pedro Keppler vom SV Nehren.

Holger Schneider lernte schnell, dass Geld im Amateurfußball nahezu alle Bereiche dominiert. Auch das Strafsystem beim SSV hatte es in sich. Wer beim „Eckle“-Spiel im Training nach 20 Kontakten noch nicht den Ball erobert hatte, musste zehn Mark in die Mannschaftskasse zahlen. Schneider erinnert sich: „Mein Handy vibrierte einmal während einer Taktikbesprechung. Ich dachte zuerst, dass es niemand mitbekommen hätte. Dann kam der Trainer nach der Besprechung zu mir und brummte mir meine Strafe auf: 50 Mark in die Mannschaftskasse. Der teuerste Anruf meines Lebens.“
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Hat Geld im Amateurfußball was zu suchen?

Nein, sagt Hans Peter Müller-Angstenberger. Der Volleyball-Trainer von Erstligist TV Rottenburg war früher selbst lange Amateurkicker. Seine Meinung: „Das sind unterklassige und mittelmäßige Spieler. Da hat Geld nichts zu suchen!“ Der TV Rottenburg erlebt jährlich, wie schwer es ist, im Schatten des allmächtigen Fußballs professionellen Sport zu treiben. Nur durch eine große Spendenaktion konnte der Etat im mittleren sechsstelligen Bereich zuletzt gesichert werden. Fünftligisten sichern Etats dieser Größe im Fußball oftmals mühelos. „Das zeigt die Schräglage im Deutschen Sport. Das System Fußball ist komplett überreizt. Die ARD zeigt selbst Drittligaspiele. Es ist ein Wahn“, sagt Müller-Angstenberger, der seine Spieler zehn Mal pro Woche zum Training bittet. Wie oft Sponsoren dem Fußball den Vorzug vor anderen Sportarten geben, erlebt TVR-Manager Jörg Papenheim regelmäßig. Für ihn ist das gesamte Thema eine philosophisch-gesellschaftliche Debatte: „Wir müssen uns fragen: Wollen wir wirklich eine Monokultur mit dem Fußball in Deutschland? Oder ist das nicht ein bisschen wenig?“.


* Name geändert, Anm. d. Red

Erstveröffentlichung am 27.7.2013 in: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten.html

Mittwoch, 3. Juli 2013

Irak 2003 - ein gerechter Krieg?

Gibt es ihn, den gerechten Krieg?
Und wenn ja: Welche Bedingungen muss ein Krieg erfüllen, damit er als gerechtfertigt anzusehen ist?


Intensiv habe ich mich in den letzten beiden Wochen mit der historischen Lehre und den Kriterien für einen gerechten Krieg auseinandergesetzt. In den Entwurf des folgenden Kriterienkatalogs sind Gedanken verschiedener Schriftsteller, Philosophen und Politologen eingeflossen. Es handelt sich um eine Mischung aus den traditionellen Kriterien der Vordenker um Cicero bis Grotius, neuzeitlichen Erweiterungen und persönlichen Ergänzungen. Ich habe zunächst Kriterien definiert und sie dann als Grundlage für die Analyse des Krieges im Irak 2003 verwendet. Es ist die vollständige Erfüllung aller sieben folgenden Kriterien, die nach meiner Überzeugung einen gerechten Krieg definiert:


1. Gerechte Ursache (Iusta causa):
Ein gerechter Kriegsgrund bzw. eine gerechte Ursache ist das erste Kriterium für einen gerechten Krieg. Die Schlüsselfrage, die sich Staaten und Weltgemeinschaft zunächst stellen müssen, lautet: Wie hoch und unmittelbar ist der Grad der Bedrohung durch den feindlichen Staat?

2. Ehrliche Absicht (Recta intentio):
Als zweites Kriterium gilt, dass Staaten mit einem Krieg eine ehrliche Absicht verfolgen sollen. Staaten müssen mit der Intention in einen Krieg ziehen, einen unmittelbar die Sicherheit bedrohenden Aggressor zu besiegen, um Menschenleben zu retten und die Existenz bzw. die politische Unabhängigkeit eines Staates und Volkes zu sichern

3. Aussicht auf Erfolg und Verhältnismäßigkeit (Proportionalitas) :
Einen gerechten Krieg zeichnet aus, dass die Abwehr einer unmittelbaren Bedrohung auch tatsächlich mit Gewalt erreicht werden kann. Der Einsatz von Waffen muss einen Zustand herbeiführen, der einen weniger bedrohlichen Status Quo schafft, als zu Kriegsbeginn

4. Legitime Autorität (Legitima auctoritas):
Viertes Kriterium eines gerechten Krieges ist die Einschränkung, dass Staaten und Allianzen nur mit der Bevollmächtigung einer dazu legitimierten, übergeordneten Instanz Kriege erklären und führen dürfen. Der UN-Sicherheitsrat nimmt diese Rolle nach neuzeitlichem Völkerrecht in der Politik ein. Nur der mehrheitliche Beschluss einer entsprechenden Resolution durch den Rat, kann Angriffskriege somit legitimieren. Die UN-Charta Staaten räumt Staaten - bei einer unmittelbaren Bedrohung durch einen anderen Staat - jedoch das Recht zur Selbstverteidigung ein.

5. Letztes Mittel (Ultima ratio)
Die Anwendung von Gewalt darf bei jedem Konflikt nur das allerletzte Mittel zur Abwehr der Friedensbedrohung sein. Zuvor muss der Versuch unternommen worden sein, mit allen möglichen gewaltfreien bzw. nichtkriegerischen Mitteln eine Lösung des Konflikts herbeizuführen.

6. Friedensplanung
Die sechste Bedingung eines gerechten Krieges betrifft die Forderung nach einer vorausschauenden Planung für die Zeit nach einem Krieg. Ein Kriterium, das in traditionellen Katalogen dieser Art nicht explizit angeführt wird und angesichts dessen eine Erweiterung darstellt.

Grundgedanke ist, dass ein Land, das in einem anderen Land Gewalt einsetzt, um Frieden herzustellen, nach der Friedensherstellung verpflichtet ist, dem unterlegenen Land bei einem Wiederaufbau und einer Neuausrichtung zur Seite zu stehen. Deshalb müssen sich Staaten oder Allianzen bereits vor Kriegsbeginn stets fragen, wie es nach der erfolgreichen Gewaltanwendung in dem unterlegenen Land weitergehen soll. In diesem Zusammenhang müssen detaillierte Pläne für die Neustrukturierung und den Aufbau des Landes bereits vor dem ersten Bombardement vorliegen.

7. Recht im Krieg (Ius in bello)
Das siebte und letzte Kriterium dreht sich um das Recht im Krieg. Die Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts muss die Grundlage jeder Kriegsführung sein. Es muss zum einen zwischen Soldaten und Zivilisten unterschieden werden. Zum anderen müssen Kriegsgefangene eine faire Behandlung erhalten. Dabei ist die Anwendung von Foltertechniken jeder Art explizit nicht gestattet.


Irak 2003 - ein gerechter Krieg?

Ganz egal, wie man der US-Außenpolitik grundsätzlich gegenüber steht. Ganz egal, ob man vor rund zehn Jahren für oder gegen einen US-Angriff auf den Irak plädiert hat. Festzuhalten bleibt: Der Irakkrieg 2003 war kein gerechter Krieg. Die Analyse und Evaluation auf Grundalge des erstellten Kriterienkatalogs zeigt deutlich, dass keine einzige der sieben Bedingungen für einen gerechten Krieg erfüllt wurde. Sowohl bei Legitimation und Planung des Krieges im Vorfeld, als auch später im Krieg selbst hat sich Amerika bewusst und eigenhändig über die gesamte Weltgemeinschaft gesetzt und dabei gegen tradierte und anerkannte UN-Normen massiv verstoßen.

Dem Krieg fehlte eine völkerrechtliche Grundlage. Er war unzureichend und naiv geplant. Er war voreilig und definitiv nicht das äußerste Mittel, da keine unmittelbare Bedrohung für Amerika durch den Irak vorlag. Und nicht zuletzt lässt sich mittlerweile unumstritten konstatieren, dass der vorgegebene Kriegsgrund der USA – die Unterstellung eines irakischen Atomwaffenprogramms – ineinander zusammengebrochen ist und von Beginn an auf äußerst zweifelhaften Beweisen aufgebaut war.

„Der Zweite Irak-Krieg aber unter dem zweiten Bush war und bleibt (…) eindeutig ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, ein von der UN-Charta strikt verbotener Präventivkrieg auf Verdacht hin.“ (Küng 2003, S.53).

Es hat sich herauskristallisiert, dass Amerika mit dem Krieg im Irak, wie Stephan Bierling zutreffend formuliert, einen „Exempel statuieren“ wollte (Bierling 2010, S.100). Die Bush-Regierung wollte nach den Terrorattacken vom 11. September Stärke demonstrieren, den eigenen Machtanspruch unterstreichen und ein Signal an all jene Feinde Amerikas senden, die in den Augen der USA die eigene Sicherheit bedrohten. Deshalb hatte die Regierung früh Interesse an einem Krieg und ließ gezielt nach einer Legitimation für ein militärisches Vorgehen forschen. Kritische Einwände und Alternativen zu einer kriegerischen Auseinandersetzung wurden dabei ignoriert.

Es ist in gewisser Weiße bezeichnend und es sagt einiges über die Voraussetzungen des Irakkrieges aus, dass der sich anbahnende Angriff der USA auf den Irak im Februar 2003 die größten Massenproteste der letzten 100 Jahre ausgelöst hat. In Rom protestierten weit mehr als eine Million Menschen gegen einen Krieg, in Berlin versammelten sich rund 300 000 Protestanten (Vgl. Bierling, S. 79). Eine breite Öffentlichkeit hat gefühlt, dass hier ein ungerechter und unrechtmäßiger militärischer Angriff droht, der weitreichende Konsequenzen haben kann. Und letztendlich hatte.

Übrigens: Ein junger US-Politiker, damals Senator von Illinois, hatte sich schon Ende 2002 klar gegen einen Angriff auf den Irak ausgesprochen und dabei fast prophetisch vor den Konsequenzen eines Krieges gewarnt:

„’Ich bin nicht gegen alle Kriege…Wogegen ich aber bin, ist ein dummer Krieg…Ein hastiger Krieg. Ein Krieg, der nicht auf Vernunft gründet, sondern auf Leidenschaft, nicht auf Prinzipien, sondern auf politischem Kalkül…Ich hege keine Illusionen über Saddam Hussein. Er ist ein brutaler Mann. Ein skrupelloser Mann…Die Welt und das irakische Volk wären besser dran ohne ihn. Aber ich weiß, dass Saddam keine unmittelbare und direkte Bedrohung für die USA oder seine Nachbarn darstellt…Ich weiß, dass sogar ein erfolgreicher Krieg gegen den Irak eine US-Besatzung von unbestimmter Zeit erfordert, zu unbestimmten Kosten, mit unbestimmten Folgen. Ich weiß, dass eine Invasion im Irak ohne klare Begründung und ohne starke internationale Unterstützung nur die Flammen im Mittleren Osten anfacht, und die schlimmsten, nicht die besten Impulse der arabischen Welt befeuert, und den Rekrutierungsarm von Al Khaida stärkt.’“ (Bierling 2010, S. 202)

Der Name dieses Mannes ist Barack Obama.

Dienstag, 4. Juni 2013

Million Dollar Baby


Fußball: US-Fußballer Freddy Adu: „Ich war ein Werbeartikel, kein Fußballer.“


Quelle: www.foxsports.com
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Mit 14 Jahren stieg Freddy Adu (23) zum Millionär und Hoffnungsträger des US-Amerikanischen Fußballs auf. Doch den riesigen Erwartungen wurde der einstige Wunderknabe nie gerecht. In einem Radiointerview mit BBC hat sich Adu nun ausführlich zu seiner Vergangenheit geäußert - selbstkritisch und abrechnend zugleich.


Ibrahim Naber


Die Verlockung des schnellen Geldes, der Neid seiner Mitspieler und die überhöhten Erwartungen einer ganzen Fußballnation: In einem äußerst bemerkenswerten Radiointerview mit der englischen BBC hat Freddy Adu tiefe Einblicke in die Anfänge seiner Karriere gegeben. Er blickt zurück auf seinen Millionen-Deal mit Nike und stemmt sich weiterhin verzweifelt gegen das Makel des ewigen Talents. Doch das Schicksal des einst als „Retter des Amerikanischen Fußballs“ gefeierten Wunderkindes wirft grundsätzlich die Frage auf, was man einem Kind in der Männerwelt Fußball zumuten kann und wer dafür die Verantwortung trägt.

Das Mysterium um das Wunderkind aus Ghana

USA, 2004. In einer Zeit, in der der gesamte amerikanische Fußball sich nach einem Aushängeschild sehnte, war in den Medien plötzlich von einem amerikanischen Wunderknaben die Rede, der angeblich unfassbare Dinge mit dem Ball anstellen konnte. Außergewöhnlich schnell und athletisch sei dieser Freddy Adu für sein Alter. Schnell kamen Zweifel an seinem wahren Alter auf. Forscher hielten in Adus Heimatland Ghana, das er zusammen mit seiner Mutter aufgrund einer im Lotto gewonnen Green Card im Alter von acht Jahren Richtung Amerika verlassen hatte, nach Indizien eines möglichen Fehlers im Geburtsdatum Ausschau. Doch sie fanden nichts. So unterschrieb Adu 2004, mit gerade einmal 14 Jahren, seinen ersten Profivertrag beim MLS-Team D.C. United.

„Wenn Nike Millionen bietet, kannst du nicht ‚Nein’ sagen“.

Kurz darauf schaltete sich Sportartikelhersteller Nike ein. Um jeden Preis wollte der US-Konzern den als „the next Pelé“ gepriesenen Knaben an sich binden. Mit Erfolg. Adu stieg mit einer Unterschrift zum Millionär auf. Er gibt rückblickend zu: „Wenn Nike auf dich zukommt und dir einen Million-Dollar-Vertrag anbietet, kannst du einfach nicht Nein sagen. Unmöglich.“ Die Existenzsorgen seiner Mutter, die Adu und dessen Bruder zuvor durch mehrere Jobs gerade so über Wasser gehalten hatte, waren mit einem Mal passé. Kann man der Frau wirklich ernsthaft verdenken, dass sie dem Kontrakt ihres Sohnes mit Nike zustimmte? „Ich war“, erinnert sich Adu mit Stolz in der Stimme, „plötzlich in der Lage für meine Familie zu sorgen und ich bin froh, dass ich es gemacht habe.“

Die Erwartungen stiegen daraufhin ins Unermessliche. Der Hype um Adu kannte keine Grenzen. Jede Bewegung von ihm auf und neben dem Platz wurde analysiert. Er gab hunderte Interviews, drehte zahlreiche Werbespots und sagte einfach „zu allem Ja, was von mir gefordert wurde.“ Und weiter: „Ich habe versucht, alle zufrieden zu stellen. Aber das geht nicht. Ich bin demütig geworden, was das angeht.“

Erfolglose Odyssee durch Europa

Adu ist sich heute sicher, dass ihm der Rummel viel vom eigentlichen Sport weggenommen habe. Er sagt zurückblickend: „ Ich war einfach sehr naiv damals. Für die Leute war ich mehr ein Werbeartikel, kein Fußballer. Und eigentlich wollte ich doch nur das sein…“

Der Rummel um seine Person hatte viele Schattenseiten. Einige Mitspieler hätten ihm die Aufmerksamkeit und das Geld damals missgönnt: „Ihr Gesichtsausdruck alleine hat jedes Mal gezeigt, dass sie dich nicht leiden können. Sie haben auf dem Spielfeld jede Gelegenheit genutzt, um mich anzubrüllen“, erzählt Adu.

So viel Druck in so jungen Jahren – war Adu nicht von Beginn an zum Scheitern verurteilt? Als er in seiner ersten Profisaison mit 14 Jahren fünf Tore in 30 Spielen schoss, sprachen alle von einer missratenen Saison. Für Adu langte es nicht durchschnittlich zu sein, er sollte herausragen. In jedem Spiel. Doch das tat er bei Weitem nicht. Auch bei seinen vielen Versuchen ab 2007 in Europa nicht. Portugal, Frankreich, Griechenland und die Türkei. In keinem Land auf seiner Europa-Reise konnte Adu restlos überzeugen. Es heißt, letztlich hätten ihn sogar Zweitligisten nicht haben wollen.

Mittlerweile spielt Adu auf Leihbasis in Brasilien

Es war ausgerechnet ein Spiel gegen den Fußballzwerg Panama, das im US-Fußball Ende Juni 2011 noch einmal neue Hoffnungen weckte. Freddy Adu, nach 65 Minuten beim Stand von 0:0 ins Spiel gekommen, hatte die US-Fans in nur 25 Minuten restlos verzückt. Mit Tempodribblings über die rechte Außenbahn, feinen Kabinettstückchen auf engstem Raum und einem genialen 30 Meter-Pass, der das goldene 1:0-Siegtor einleitete. Genauso hatten sie sich ihr einstigstes Wunderkind immer vorgestellt. „Genius!“, jubelten die US-Kommentatoren überschwänglich, die Amerikaner fragten sich: War das der Durchbruch? Kann es der Junge also doch?

Bisher wurden sie enttäuscht. Keine einzige Sekunde hat Adu seit Juni 2011 mehr für die USA gespielt. Und das, obwohl er auf Rat von US-Trainer Jürgen Klinsmann zunächst wieder in die heimische MLS zu Philadelphia wechselte. Auf Leihbasis spielt Adu derzeit für Bahia in Brasilien. Ende 2013 will er es noch einmal in Europa versuchen. Es ist seine wohl letzte Chance auf der großen Fußball-Bühne. Adu weiß das. Er kämpft gegen das Exempel einer weiteren hoffnungsvollen Fußball-Karriere, die in die Brüche geht. Doch konnte er diesen Kampf überhaupt jemals gewinnen?


„Die Leute sollen mich einmal als großen Fußballer ansehen“.


Wie ihn die Leute am Ende seiner Karriere einmal in Erinnerung haben sollen, fragt BBC-Moderator Mathhew Nelson am Ende des Gesprächs. Ein Seufzer, dann antwortet Freddy Adu: „Ich will nicht, dass Leute mich als das 14-Jährige Wunderkind in Erinnerung halten. Sie sollen mich als einen großen Fußballer ansehen. Ich werde mir dafür von nun an den Arsch aufreißen.“ Es scheint, als sei Freddy Adu zumindest erwachsen geworden.
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Das BBC-Radio Interview mit Freddy Adu ist leider nicht mehr online anzuhören. Dafür hier ein aktuelles TV-Interview mit Adu aus Brasilien:

http://m.bbc.co.uk/sport/football/22208072

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