Post für den Bahn-Chef

Montag, 20. Mai 2013

Finden Sie das wirklich fair, Herr Grube?

Offener Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Bahn AG, Rüdiger Grube:


Sehr geehrter Herr Grube,

waren Sie nicht auch mal jung und brauchten das Geld? Erzählen Sie doch mal: Wie war das denn damals bei Ihnen in den 70-er Jahren in Hamburg, als Sie studiert haben und noch keine 2,6 Millionen pro Jahr als Bahnchef verdient haben? Gab es da nicht diese Phasen, in denen am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig war? Phasen, in denen Sie über jeden Kreuzer froh waren, den Sie nur irgendwie sparen konnten? Nun, offenbar sind ihre Erinnerungen irgendwo auf der Strecke zwischen Hamburg und ihrer neuen Wahlheimat Stuttgart verloren gegangen. Zeit für eine kleine Auffrischung ihrer Gedankengänge:

Ich schreibe Ihnen im Namen vieler Studenten Deutschlands, um Sie daran zu erinnern, was es finanziell bedeuten kann, Student zu sein. Ich schreibe, um Ihnen an meinem Beispiel aufzuzeigen, dass die Preispolitik der Deutschen Bahn (DB) gerade für junge Leute asozial und unverhältnismäßig ist. Und nicht zuletzt schreibe ich, um Ihnen ein paar Denkanstöße zu geben:

Aus dem Leben eines Studenten


Das Statistische Bundesamt hat für den Deutschen Durchschnittsstudenten einen monatlichen Bedarf von knapp über 700 Euro ermittelt. Selbstverständlich variiert der Betrag von Stadt zu Stadt, doch als Orientierungsbetrag sind rund 750 Euro/Monat durchaus angemessen. Trotz Nebenjobs gibt es einige Studenten, die Monat für Monat hart dafür arbeiten müssen, um auf diesen Betrag zu kommen. Wenige Studenten haben unter 700 Euro im Monat auf der Habenseite. Noch Wenigeren stehen über 1000 Euro zur Verfügung. Mit dem Geld müssen alle Rechnungen beglichen werden. Miete, Lebensmittel, Handyvertrag, Klamotten, Diskobesuche - und natürlich auch Fahrten, meist in die Heimat.

Auch bei mir persönlich ist das so. Ich studiere in Bamberg, arbeite nebenberuflich als freier Journalist und fahre im Schnitt rund zwei Mal pro Monat am Wochenende in meine Heimat Tübingen. Jedes Mal habe ich die Wahl: Bahn oder Mitfahrgelegenheit? Verdammte 118 Euro („Studentenrabatt“) habe ich an die DB gezahlt, um mehr oder weniger (eher weniger!) stolzer Besitzer einer Bahn Card 50 zu werden. Ich dachte mir: Mit 50 % Rabatt auf den regulären Fahrpreis ist die Bahn doch sicherlich eine preiswerte Alternative! Heute weiß ich: Wie naiv. Wie blauäugig von mir!

Statt 50 % Rabatt, zahle ich 100% mehr mit der Bahn

In einer Mitfahrgelegenheit zahle ich von Bamberg nach Tübingen zwischen 13-16 Euro pro Fahrt. Für im Schnitt 30 Euro komme ich so hin und zurück. Weniger als drei Stunden sitze ich für die 280 Kilometer in der Regel im Auto. Ein wirklich faires Angebot.

Schade, dass das Konkurrenzangebot der DB in etwa genauso fair ist, wie der Champions League-Titel des FC Chelsea 2012. In anderen Worten: Ihr Angebot ist eine bodenlose Frechheit. Mit Bahn Card 50 zahle ich von Bamberg nach Tübingen pro Fahrt entweder 30,50 Euro (Normalpreis: 61,00 Euro), oder den absoluten Schnäppchenpreis von 24,25 Euro (Normalpreis: 48,50 Euro), wenn ich freiwillig nur mit Nahverkehrszügen durch die Gegend gurke. Apropos: Mit der DB zahle ich übrigens nicht nur gut doppelt so viel, sondern brauche auch 1,5 – 2 Stunden länger für eine Fahrt. Mal Hand auf’s Herz: Finden Sie das wirklich fair, Herr Grube?


Warum nehmen Sie keine Rücksicht auf uns?

Ich kenne viele Studenten, die sich mehr und mehr genervt und enttäuscht von der Bahn abwenden. Die regulären Preise, die Sie für Fahrten fordern, sind für junge Leute auf Dauer einfach nicht zu bezahlen. Dazu kommen immer wieder Verspätungen, Ausfälle und teilweiße überfüllte Züge. Ihr Angebot und ihre Preisforderungen stehen in keinem Verhältnis. Ist es für die DB nicht möglich, ein wenig Rücksicht auf die begrenzten Ressourcen von Studenten zu nehmen? Ist das vielmehr nicht sogar ein wenig Ihre Pflicht als Staatsunternehmen?

Es sollte nachhaltig in ihrem Interesse sein, ein Angebot zu schaffen, dass wieder mehr junge Menschen zum Bahnfahren animiert und diese somit möglichst früh an ihr Unternehmen bindet. Wir sind es, die in einigen Jahren Ihre primäre Zielgruppe bilden werden. Vergessen Sie das nicht!

Preise runter, Sonderangebote: Bieten Sie uns was!


Es wäre so einfach, junge Menschen aus den Autos wieder in die Züge zu locken. Wenn Sie die Preisschraube nur ein wenig in die richtige Richtung drehen, passiert das ganz automatisch. Wie wäre es mit Spezialangeboten für junge Wochenendheimfahrer? Hin und zurück innerhalb von drei Tagen für eine festgelegte Summe, die sich an der Länge der Strecke orientiert. Oder alternativ eine Semesterdauerkarte für bestimmte Strecken, die es Studenten erlaubt für einen einmaligen Festbetrag auf einer Strecke eine feste Anzahl von Malen mitzufahren. Was spricht dagegen? Sie würden mehr Kunden gewinnen, ihren Umsatz steigern und junge Menschen hätten gleichzeitig eine faire und bezahlbare Alternative zur Mitfahrgelegenheit.

Depressionen in der Bahn

Bahnfahren hat zweifelsohne Vorteile. Spontan von Ort A zu Ort B zu fahren, ist per Mitfahrgelegenheit nicht immer möglich. Zudem ist es in der Bahn auch eher möglich, in Ruhe Arbeit zu erledigen. Nur ist es verdammt noch mal deprimierend, wenn man etwa als junger Journalist in der Bahn sitzt und weiß, dass jede Zeile, die man schreibt, dem Konto der DB gutgeschrieben wird. Ich spreche aus Erfahrung.

Ich hoffe, Ihnen mit diesem Schreiben näher gebracht zu haben, warum sich so viele Studenten von der Bahn abwenden und gleichzeitig trage ich Hoffnung, dass Sie meine Vorschläge für ein faireres Angebot für junge Menschen in das Angebot der DB aufnehmen können.

Beste Grüße aus Bamberg,

Ibrahim Naber (21)

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