Der Lewandowski-Transfer

Donnerstag, 28. Februar 2013

Warum der FC Bayern Robert Lewandowski verpflichtet

- und warum das eine brillante Entscheidung ist

- Ibrahim Naber -


Wer das Tauziehen um Europas derzeit begehrtesten Stürmer verfolgt hat, der weiß: Robert Lewandowski (24) wechselt zur kommenden Saison zum FC Bayern München. Drei Dinge haben dafür gesorgt, dass aus dem anfänglichen Gerücht mittlerweile ein offenes Geheimnis geworden ist: Die nebulösen Aussagen der Bayern-Verantwortlichen, allen voran von Sportdirektor Matthias Sammer. Das Schweigen bzw. Nicht-Dementieren von Lewandowski selbst. Und nicht zuletzt die Aussagen von dessen Berater Czesary Kucharsky, der in einer polnischen Fernsehshow vor wenigen Tagen viel sagend erklärte: „Robert hat seine Entscheidung getroffen. Wer seine Karriere verfolgt hat, der wird wissen, dass er in keinem Verein länger als zwei Jahre gespielt hat. In Dortmund spielt er bereits in seiner dritten Saison. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, der weiß auch, was das bedeutet.“

25 Millionen Euro wird Bayern kaum zahlen

Deutlicher geht es kaum. Auch das der Wechsel bereits diesem Sommer, also ein Jahr vor Ablaufen von Lewandoskis Vertrag beim BVB, stattfindet, ist mehr als wahrscheinlich. Wenn sie in Dortmund ihren besten Stürmer schon an den großen Rivalen aus dem Süden abgeben müssen, dann wenigstens für eine nette Ablösesumme. Der Marktwert des polnischen Angreifers wird auf 25 – 30 Millionen Euro taxiert (siehe transfermarkt.de). In Anbetracht des auslaufenden Vertrags wird Bayern diese Summe nicht zahlen. Rund 15 Millionen Euro zuzüglich möglicher Bonuszahlungen bei Titelgewinnen in den nächsten Jahren scheinen realistisch zu sein – für beide Seiten eine akzeptable Summe. Bayerns prall gefülltes Festgeldkonto kann solche Summen verschmerzen, und der BVB hätte auf der Suche nach einem Lewandowski-Nachfolger (möglicherweise Edin Dzeko) mit dem Geld deutlich mehr Handlungsoptionen.

Nur ein Transfer, um den BVB zu schwächen?

Immer wieder ist in diesen Wochen von Kritikern und auch Bayern-Anhängern zu hören, dass die Verpflichtung von Lewandowski sportlich völlig überflüssig sei, da man mit Mario Mandzukic (26) und Mario Gomez (27) im Sturmzentrum schon zwei Weltklasse-Stürmer habe. Die Verpflichtung von Lewandowski diene deswegen ausschließlich der Schwächung des BVB. Das ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich spielt auch dieser Aspekt traditionell eine Rolle in der bayuwarischen Transferpolitik. Werder Bremen kann ein Lied davon singen. Nicht nur mit den Transfers von Werders besten Stürmern Claudio Pizarro und Miroslav Klose schwächte Bayern den langjährigen Titel-Konkurrenten im letzten Jahrzehnt mehrmals gezielt.

Aber aufgepasst: Ein Blick auf die Spielphilosophie von Bayerns zukünftigem Trainer Pep Guardiola sowie ein Vergleich der drei potentiellen Bayern-Stürmer Mandzukic, Gomez und Lewandowski zeigt, warum der Transfer von Lewandowski für die Bayern auch aus sportlicher Perspektive absolut Sinn macht.


Das System Guardiola – und die falsche Neun

Pep Guardiola ist und bleibt ein Fußballästhet und Philosoph. Erfolge alleine sind ihm nicht genug. Er strebt immer nach dem perfekten Spiel. Ein Trainer, dem es bei jedem Erfolg in erster Linie um das Wie geht. Daran wird er auch in München gemessen werden.
Beim FC Barcelona hat Guardiola eine Spielphilosophie entwickelt, die noch immer als das Ideal im internationalen Fußball gilt. Ästhetisch und durchdacht, filigran und unbeschwert. Dafür stand Barcelona dank Guardiola wieder. Die Katalanen avancierten unter ihm nicht nur zum Seriensieger mit 14 Titeln in vier Jahren, sondern begeisterten durch Fußball nahe der Perfektion. Mit endlosen Ballstaffetten, mit etlichen Spielverlagerungen und wunderschön heraus gespielten Toren.

Dem Mittelstürmer, meist die Nummer neun, kommt im System Guardiola eine ganz besondere Rolle zu. Fast alle Grundsätze des klassischen Mittelstürmers, der sich im Strafraum mit Bällen füttern lässt, verlieren bei Guardiola ihre Bedeutung. Immer wieder zieht sich der Mittelstürmer bewusst ins Mittelfeld zurück, um für Chaos und Platz im zentralen Raum vor dem Tor zu sorgen. In den freigewordenen Raum stoßen dann idealerweise die beiden Außenstürmer oder die defensiven/offensiven Mittelfeldspieler, die die Unordnung der orientierungslosen Innenverteidiger ausnutzen.

Eine Mischung aus Vollstrecker und Spielmacher

Welche Anforderungen muss die sogenannte „falsche Neun“ im zukünftigen Münchner Spielsystem also erfüllen? Gesucht ist ein beweglicher, technisch versierter und torgefährlicher Stürmer, der Bälle halten und gut verteilen kann. Die Anforderungen sind extrem hoch. Der Mittelstürmer im Guardiolschen System ist eine Mischung aus Vollstrecker und Spielmacher, der bei eigenem Abtauchen ins Mittelfeld vertikale Bälle in die Spitze spielen soll. Kein Spieler dieser Welt spielt die Position so gut wie Lionel Messi. Auf den wird Guardiola bei den Bayern verzichten müssen. Gomez, Mandzukic oder Lewandowski müssen es richten. Nur: Wer hat die besten Veranlagungen für diese Position?

Mario Gomez: Die „Tormaschine“ wird es schwer haben


Bundestrainer Joachim Löw adelte Mario Gomez letztes Jahr mit der Bezeichnung „Tormaschine“. Besser kann man Gomez’ Interpretation des Mittelstürmers nicht beschreiben. Gomez steht für Tore. Gomez identifiziert sich über Tore. Das ist Segen und Fluch zugleich. Kaum ein Fußballspieler auf dieser Welt gerät nach Spielen ohne eigenen Torerfolg so schnell in die Kritik wie Mario Gomez. Nur durch seine unglaublichen 45 Pflichtspieltore konnte Bayerns beidfüßige Nummer 33 seine vielen Kritiker in der vergangenen Saison 2011/2012 über weite Strecken verstummen lassen. Woran liegt das? Auch wenn Gomez auf technischer Ebene lang nicht der miserable Fußballer ist, für den ihn viele halten, hat er zum Teil Defizite bei Ballannahme und seinem Passspiel. Dazu kommt, dass dem Deutsch-Spanier schon immer ein gewisses Phlegma vorgeworfen wird. In manchen Phasen des Spiels taucht Gomez völlig ab, beteiligt sich dann kaum noch am Spiel. In seinen drei Einsätzen von Beginn an in dieser Bundesliga-Saison hatte Gomez durchschnittlich nur 23 Ballkontakte. In 61 Pflichtspielen in der letzten Saison bereitete er lediglich acht Tore vor. Diese Werte zeigen, wie weit Gomez von einem mitspielenden Stürmer entfernt ist, den sich Guardiola wünscht. Gomez’ größter Pluspunkt ist dahingegen seine Effizienz vor dem Tor. Jede dritte Chance hat der gebürtige Schwabe in dieser Saison zu einem Tor genutzt. Auch an die Anzahl der Gesamttore der letzten Jahre, insbesondere in der Champions League, kommen seine beiden Kontrahenten nicht heran. Fest steht trotzdem: Wenn Vollstrecker Gomez sein Spiel nicht verändert, wird er es unter Guardiola extrem schwer haben.

Mario Mandzukic: Der Senkrechtstarter bangt um seinen Stammplatz

Kaum einer hatte Mario Mandzukic solch eine rasante Entwicklung bei den Bayern zugetraut. Seit Gomez verletzt ausfiel, trifft der Kroate, wie er will. Sein Stammplatz ist derzeit nicht in Gefahr. 15 Tore und drei Vorlagen nach 19 Bundesligaspielen sprechen eine deutliche Sprache. Auf internationaler Bühne hat er seine Klasse (5 Spiele/1 Treffer) jedoch noch nicht bewiesen. Man darf sehr gespannt sein, wie Guardiola mit Mandzukic umgehen wird. Auch wenn der 26-Jährige im Vergleich zu Gomez’ prinzipiell mehr in die Rolle der „falschen Neun“ passt, ist Mandzukic mehr als Strafraumstürmer zu sehen. Der wohl kopfballstärkste Stürmer der Liga hat wie Gomez im direkten Torabschluss seine größten Fähigkeiten. Was nicht heißt, dass Mandzukic kein mitspielender Stürmer wäre. Ganz im Gegenteil. Mandzukic kann Bälle gut behaupten und ist auch technisch für einen Mittelstürmer überdurchschnittlich veranlagt. Ab und an weicht er schon jetzt auf die außen aus oder lässt sich ins Mittelfeld zurückfallen, um in der Mitte Platz für Kroos oder die beiden Flügelspieler zu schaffen. Zweifelsohne ist Bayerns Spiel auch dank Mandzukic (31 Ballkontakte/Spiel) deutlich flüssiger und zusammenhängender geworden in dieser Saison. Auch als Vorbereiter hat er in der letzten Saison in Wolfsburg mit zehn Vorlagen geglänzt. Fraglich bleibt trotz allem, ob Mandzukics strategisches Denken und sein Kombinationsspiel den Anforderungen von Guardiola entsprechen. Ob er die Bälle gedankenschnell aus dem Mittelfeld vertikal in die Spitze spielen kann, wie es Lewandowski beim BVB schon oft gemacht hat. Auch wenn er Vorteile vor Mario Gomez haben dürfte: Eine Idealbesetzung im System Guardiola ist auch Mario Mandzukic nicht.

Robert Lewandowski: Die zweitbeste „falsche Neun“ der Welt

Es ist folgerichtig Robert Lewandowski, der die besten Veranlagungen aufweist, um Guordiolas neuer Mittelstürmer zu werden. Beim BVB erfüllt er schon jetzt genau die Aufgaben, die in München von ihm erwartet werden. Er ist Dreh- und Angelpunkt im Dortmunder Offensivspiel. Er lässt sich immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen, um Platz für Götze, Reus oder Blaszczykowski zu machen (http://www.youtube.com/watch?v=a_0uAkmFSsU).

Er ist gedankenschnell im Kombinationsspiel und setzt seine Mitspieler regelmäßig mit tollen Anspielen in Szene, wie beim 1:0 durch Marco Reus gegen Bayer Leverkusen vor einigen Wochen. (http://www.youtube.com/watch?v=XGBBnKbIQJQ)

Und Robert Lewandowski hat auch vor dem Tor endlich die Ruhe gefunden, die ihm in den letzten Jahren noch so manches Mal gefehlt hat – und das sogar in den ganz großen Spielen, wie gegen Real Madrid (http://www.youtube.com/watch?v=UfhQEaGw3GM)

35 Pflichtspiele, 21 Tore, 12 Vorlagen und 38 Ballkontakte pro Partie: Robert Lewandowski ist derzeit wohl tatsächlich die zweitbeste „falsche Neun“ dieser Welt. Nur der kleine Argentinier aus Barcelona überragt ihn noch. Um diesen zu verpflichten, würden wohl selbst Bayerns Festgeldkonto und der Verkauf der Allianz-Arena nicht ausreichen. Deshalb holen die Bayern nun Robert Lewandowski. Eine brillante Entscheidung.

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