Irak 2003

Mittwoch, 3. Juli 2013

Irak 2003 - ein gerechter Krieg?

Gibt es ihn, den gerechten Krieg?
Und wenn ja: Welche Bedingungen muss ein Krieg erfüllen, damit er als gerechtfertigt anzusehen ist?


Intensiv habe ich mich in den letzten beiden Wochen mit der historischen Lehre und den Kriterien für einen gerechten Krieg auseinandergesetzt. In den Entwurf des folgenden Kriterienkatalogs sind Gedanken verschiedener Schriftsteller, Philosophen und Politologen eingeflossen. Es handelt sich um eine Mischung aus den traditionellen Kriterien der Vordenker um Cicero bis Grotius, neuzeitlichen Erweiterungen und persönlichen Ergänzungen. Ich habe zunächst Kriterien definiert und sie dann als Grundlage für die Analyse des Krieges im Irak 2003 verwendet. Es ist die vollständige Erfüllung aller sieben folgenden Kriterien, die nach meiner Überzeugung einen gerechten Krieg definiert:


1. Gerechte Ursache (Iusta causa):
Ein gerechter Kriegsgrund bzw. eine gerechte Ursache ist das erste Kriterium für einen gerechten Krieg. Die Schlüsselfrage, die sich Staaten und Weltgemeinschaft zunächst stellen müssen, lautet: Wie hoch und unmittelbar ist der Grad der Bedrohung durch den feindlichen Staat?

2. Ehrliche Absicht (Recta intentio):
Als zweites Kriterium gilt, dass Staaten mit einem Krieg eine ehrliche Absicht verfolgen sollen. Staaten müssen mit der Intention in einen Krieg ziehen, einen unmittelbar die Sicherheit bedrohenden Aggressor zu besiegen, um Menschenleben zu retten und die Existenz bzw. die politische Unabhängigkeit eines Staates und Volkes zu sichern

3. Aussicht auf Erfolg und Verhältnismäßigkeit (Proportionalitas) :
Einen gerechten Krieg zeichnet aus, dass die Abwehr einer unmittelbaren Bedrohung auch tatsächlich mit Gewalt erreicht werden kann. Der Einsatz von Waffen muss einen Zustand herbeiführen, der einen weniger bedrohlichen Status Quo schafft, als zu Kriegsbeginn

4. Legitime Autorität (Legitima auctoritas):
Viertes Kriterium eines gerechten Krieges ist die Einschränkung, dass Staaten und Allianzen nur mit der Bevollmächtigung einer dazu legitimierten, übergeordneten Instanz Kriege erklären und führen dürfen. Der UN-Sicherheitsrat nimmt diese Rolle nach neuzeitlichem Völkerrecht in der Politik ein. Nur der mehrheitliche Beschluss einer entsprechenden Resolution durch den Rat, kann Angriffskriege somit legitimieren. Die UN-Charta Staaten räumt Staaten - bei einer unmittelbaren Bedrohung durch einen anderen Staat - jedoch das Recht zur Selbstverteidigung ein.

5. Letztes Mittel (Ultima ratio)
Die Anwendung von Gewalt darf bei jedem Konflikt nur das allerletzte Mittel zur Abwehr der Friedensbedrohung sein. Zuvor muss der Versuch unternommen worden sein, mit allen möglichen gewaltfreien bzw. nichtkriegerischen Mitteln eine Lösung des Konflikts herbeizuführen.

6. Friedensplanung
Die sechste Bedingung eines gerechten Krieges betrifft die Forderung nach einer vorausschauenden Planung für die Zeit nach einem Krieg. Ein Kriterium, das in traditionellen Katalogen dieser Art nicht explizit angeführt wird und angesichts dessen eine Erweiterung darstellt.

Grundgedanke ist, dass ein Land, das in einem anderen Land Gewalt einsetzt, um Frieden herzustellen, nach der Friedensherstellung verpflichtet ist, dem unterlegenen Land bei einem Wiederaufbau und einer Neuausrichtung zur Seite zu stehen. Deshalb müssen sich Staaten oder Allianzen bereits vor Kriegsbeginn stets fragen, wie es nach der erfolgreichen Gewaltanwendung in dem unterlegenen Land weitergehen soll. In diesem Zusammenhang müssen detaillierte Pläne für die Neustrukturierung und den Aufbau des Landes bereits vor dem ersten Bombardement vorliegen.

7. Recht im Krieg (Ius in bello)
Das siebte und letzte Kriterium dreht sich um das Recht im Krieg. Die Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts muss die Grundlage jeder Kriegsführung sein. Es muss zum einen zwischen Soldaten und Zivilisten unterschieden werden. Zum anderen müssen Kriegsgefangene eine faire Behandlung erhalten. Dabei ist die Anwendung von Foltertechniken jeder Art explizit nicht gestattet.


Irak 2003 - ein gerechter Krieg?

Ganz egal, wie man der US-Außenpolitik grundsätzlich gegenüber steht. Ganz egal, ob man vor rund zehn Jahren für oder gegen einen US-Angriff auf den Irak plädiert hat. Festzuhalten bleibt: Der Irakkrieg 2003 war kein gerechter Krieg. Die Analyse und Evaluation auf Grundalge des erstellten Kriterienkatalogs zeigt deutlich, dass keine einzige der sieben Bedingungen für einen gerechten Krieg erfüllt wurde. Sowohl bei Legitimation und Planung des Krieges im Vorfeld, als auch später im Krieg selbst hat sich Amerika bewusst und eigenhändig über die gesamte Weltgemeinschaft gesetzt und dabei gegen tradierte und anerkannte UN-Normen massiv verstoßen.

Dem Krieg fehlte eine völkerrechtliche Grundlage. Er war unzureichend und naiv geplant. Er war voreilig und definitiv nicht das äußerste Mittel, da keine unmittelbare Bedrohung für Amerika durch den Irak vorlag. Und nicht zuletzt lässt sich mittlerweile unumstritten konstatieren, dass der vorgegebene Kriegsgrund der USA – die Unterstellung eines irakischen Atomwaffenprogramms – ineinander zusammengebrochen ist und von Beginn an auf äußerst zweifelhaften Beweisen aufgebaut war.

„Der Zweite Irak-Krieg aber unter dem zweiten Bush war und bleibt (…) eindeutig ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, ein von der UN-Charta strikt verbotener Präventivkrieg auf Verdacht hin.“ (Küng 2003, S.53).

Es hat sich herauskristallisiert, dass Amerika mit dem Krieg im Irak, wie Stephan Bierling zutreffend formuliert, einen „Exempel statuieren“ wollte (Bierling 2010, S.100). Die Bush-Regierung wollte nach den Terrorattacken vom 11. September Stärke demonstrieren, den eigenen Machtanspruch unterstreichen und ein Signal an all jene Feinde Amerikas senden, die in den Augen der USA die eigene Sicherheit bedrohten. Deshalb hatte die Regierung früh Interesse an einem Krieg und ließ gezielt nach einer Legitimation für ein militärisches Vorgehen forschen. Kritische Einwände und Alternativen zu einer kriegerischen Auseinandersetzung wurden dabei ignoriert.

Es ist in gewisser Weiße bezeichnend und es sagt einiges über die Voraussetzungen des Irakkrieges aus, dass der sich anbahnende Angriff der USA auf den Irak im Februar 2003 die größten Massenproteste der letzten 100 Jahre ausgelöst hat. In Rom protestierten weit mehr als eine Million Menschen gegen einen Krieg, in Berlin versammelten sich rund 300 000 Protestanten (Vgl. Bierling, S. 79). Eine breite Öffentlichkeit hat gefühlt, dass hier ein ungerechter und unrechtmäßiger militärischer Angriff droht, der weitreichende Konsequenzen haben kann. Und letztendlich hatte.

Übrigens: Ein junger US-Politiker, damals Senator von Illinois, hatte sich schon Ende 2002 klar gegen einen Angriff auf den Irak ausgesprochen und dabei fast prophetisch vor den Konsequenzen eines Krieges gewarnt:

„’Ich bin nicht gegen alle Kriege…Wogegen ich aber bin, ist ein dummer Krieg…Ein hastiger Krieg. Ein Krieg, der nicht auf Vernunft gründet, sondern auf Leidenschaft, nicht auf Prinzipien, sondern auf politischem Kalkül…Ich hege keine Illusionen über Saddam Hussein. Er ist ein brutaler Mann. Ein skrupelloser Mann…Die Welt und das irakische Volk wären besser dran ohne ihn. Aber ich weiß, dass Saddam keine unmittelbare und direkte Bedrohung für die USA oder seine Nachbarn darstellt…Ich weiß, dass sogar ein erfolgreicher Krieg gegen den Irak eine US-Besatzung von unbestimmter Zeit erfordert, zu unbestimmten Kosten, mit unbestimmten Folgen. Ich weiß, dass eine Invasion im Irak ohne klare Begründung und ohne starke internationale Unterstützung nur die Flammen im Mittleren Osten anfacht, und die schlimmsten, nicht die besten Impulse der arabischen Welt befeuert, und den Rekrutierungsarm von Al Khaida stärkt.’“ (Bierling 2010, S. 202)

Der Name dieses Mannes ist Barack Obama.

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